Die eigenen Grenzen wahrnehmen
Manchmal erleben wir Situationen, in denen wir das Gefühl haben, dass andere unsere Grenzen nicht achten oder über uns hinweggehen. Wir fühlen uns dann klein, nicht gesehen oder übergangen. Vielleicht taucht dabei die Frage auf: Warum passiert mir das immer wieder? Häufig liegt die Antwort darin, dass wir selbst den Kontakt zu unseren inneren Grenzen verloren haben. Wir spüren nicht mehr klar, wann uns etwas zu viel wird oder wann wir innerlich eigentlich schon längst ein „Nein“ fühlen. Stattdessen versuchen wir, es anderen recht zu machen, ruhig zu bleiben oder Konflikte zu vermeiden – und merken dabei gar nicht, dass wir uns selbst übergehen.
Gefallen wollen
In meiner Arbeit sehe ich oft, dass solche Muster einen tieferen Ursprung haben. Oft steckt dahinter das Bedürfnis, gemocht, anerkannt oder geliebt zu werden. Vielleicht haben wir früh gelernt, dass wir Zuwendung dann bekommen, wenn wir brav, angepasst oder hilfreich sind. Wenn wir später im Leben auf ähnliche Situationen treffen, reagiert dieses alte Muster – ganz automatisch. Wir sagen Ja, obwohl wir Nein meinen. Wir lächeln, obwohl es uns innerlich schon die Brust zuschnürt.
Verbindung zu uns selbst
Der Weg hinaus führt nicht über mehr Stärke im Außen, sondern über mehr Verbindung im Inneren. Es geht darum, wieder wahrzunehmen, was wir wirklich fühlen, und diese Empfindungen ernst zu nehmen. Wenn wir beginnen, uns selbst zuzuhören, entstehen Klarheit und innere Sicherheit. Wir lernen, dass Grenzen nichts Trennendes sind, sondern Ausdruck von Selbstachtung und innerer Stabilität.
Ein erster Schritt kann sein, im Alltag öfter innezuhalten und in den Körper hinein zu spüren: Wie fühlt sich mein Bauch an, wenn ich Ja sage? Wie reagiert mein Herz, wenn ich Nein meine? Diese feinen Signale helfen, die Verbindung zu uns selbst zu stärken. Mit der Zeit entsteht daraus ein neues Selbstverständnis – eines, in dem wir uns weder verstecken noch rechtfertigen müssen, sondern einfach wir selbst sein dürfen.
Die anderen spüren, wenn wir uns selbst respektieren
Wenn wir unsere Grenzen wieder spüren und freundlich vertreten, verändert sich auch das Außen. Menschen beginnen, sich uns gegenüber anders zu verhalten, weil wir uns selbst anders begegnen. Die innere Frage: „Warum trampeln alle auf mir herum?“ verliert dann ihre Bedeutung – denn wir stehen fest, verbunden mit uns selbst, in unserer eigenen Kraft und Würde.
Dieser Weg des Respekts und der Selbstachtung ist ein Perspektivwechsel, denn wir haben oftmals gelernt auf den anderen zu achten. In meiner Praxis erlebe ich es oft, dass durch Selbstreflexion und Abstand zu unseren Gefühlen und der eigenen Geschichte mehr Klarheit entsteht. Klarheit, wer ich eigentlich bin und was ich will in meinem Leben. Alte Muster und Geschichten können deutlicher erkannt werden und wir dürfen in neuen Grenzen denken und fühlen.
Herzlichst Deine
Andrea Götte