Ängste sind mir auch bei der Sitzung von unserem Verein, in welchem ich ehrenamtlich tätig bin, begegnet. In Gesprächen vorher, nachher und in den Pausen. Sie tauchen immer wieder auf, mal in einem Nebensatz und dann wieder ausführlich in intensiveren Unterhaltungen. In einem Gespräch mit einer Ehrenamtlichen, die sich für ein neues Amt zur Wahl hatte aufstellen lassen, sprachen wir über das Thema Angst ausführlich. Die Wahl stand kurz bevor und sie schilderte, dass ihr nun verschiedene Gedanken durch den Kopf gingen. Bin ich dem gewachsen? Was kommt auf mich zu ? Worauf habe ich mich da nur eingelassen? Und bin ich überhaupt so gut wie die anderen? Eine Menge Verunsicherung also.
Vom Zweifler zum Abenteurer
Warum lassen wir uns so verunsichern, oder verunsichern uns sogar selber? Wir könnten doch auch die Haltung des Abenteurers oder der Abenteurerin Pippi Langstrumpf annehmen. „Hey, ich weiß zwar nicht was da auf mich zukommt, aber ich bin gespannt drauf. Das wird bestimmt richtig gut!“
Die Voraussetzung für die Haltung des Abenteurers / von Pippi ist aus meiner persönlichen Erfahrung Vertrauen. Vertrauen in meine eigenen Fähigkeiten, in den Lauf des Lebens und vielleicht auch darauf zu vertrauen, dass mich das was mir begegnet schon irgendwie weiterbringen wird. Es bedeutet nicht, dass mir immer gefällt was mir passiert, sondern eher die Haltung, dass es schon für irgendwas gut sein wird.
Kann ich meine Haltung ändern? Oder bin ich dem ausgeliefert wie ich geprägt bin? Vorab kann ich schon einmal aus persönlicher und therapeutischer Sicht sagen : Ja!! Wir können unsere Haltung ändern! Vom Zweifler zum Abenteurer.
Was Prägung ausmacht
Zuvor möchte ich noch aus meiner Sicht darstellen was Prägung in dieser Hinsicht beeinflusst. Zunächst einmal gibt es die frühkindliche Prägung. Wie waren unsere Eltern? Eher vorsichtig? Wie wurde auf abenteuerliche Vorstöße unsererseits reagiert? Auf Bäume klettern! Wild toben! Rennen und balancieren! Eher mit Bedenken: “ Sei vorsichtig! Schaffst du das? Siehst du, war doch klar dass das passiert!“ Oder eher mit: „Das passiert nun mal wenn wir etwas ausprobieren. Wir machen es zusammen! Wenn du weiter übst, schaffst du das!“
Die eine Seite reagiert eher auf das, was nicht geklappt hat ( Mangel) und die andere Seite reagiert auf das Potential ( Fülle) was da ist. Das Gefühl zu haben, jemand ist an meiner Seite wenn ich es alleine nicht schaffe ist wichtig für die Haltung des Abenteurers. Bekomme ich als Kind hingegen vermittelt, ich bekomme keine weitere Unterstützung wenn ich scheitere, habe ich auch wenig Vertrauen in meine Kräfte. Ich muss Sorge haben, dass ich alleine gelassen werde wenn ich mich überschätze.
Alte Muster sind wie Autobahnen
Die Sätze, Empfindungen und Atmosphären, die uns in der Kindheit und im Erwachsenenalter immer wieder begegnen, schaffen neurologische Verknüpfungen im Gehirn. Sie sind wie Autobahnen im Gehirn, die immer wieder gefahren werden. Stehen wir also vor einer Herausforderung, springen wie automatisch die alten gelernten inneren Sätze an. Die alten Autobahnen werden gefahren. Kennen wir die Umleitung nicht oder können das Navi auf eine andere Route programmieren, kann es passieren, dass wir automatisch die alten Muster fahren. Eine wirkliche Wahl haben wir dann nicht, welchen Weg wir einschlagen.
Das Gute ist: Wir können neue Wege schaffen! Wie?
Indem wir neue Erfahrungen machen. Wichtig ist es zunächst die alten Sätze zu identifizieren. Welche automatischen Gedanken haben Sie wenn sie vor einer neuen Aufgabe stehen? Bin ich es, die sich die Sätze sagt oder sind es eigentlich Worte meiner Mutter, meines Vaters oder einer anderen Person? Dann fälle ich meine Entscheidung. Möchte ich es diesmal anders machen? Was ist meine Motivation? Möchte ich etwas Neues wagen? Über mich hinaus wachsen? Ein bestimmtes Ziel erreichen wie Klettern lernen oder ein Unternehmen gründen?
Fähigkeiten erwerben und sich besser kennen lernen
Meine ehrenamtliche Kollegin sagte im weiteren Verlauf des Gesprächs, dass sie sich im Laufe ihres Lebens durch Therapie und Persönlichkeitsentwicklung Ressourcen und Kompetenzen erarbeite habe, um mit solchen Zweifeln umzugehen. Sie ließ sich also nicht einschüchtern, sondern trat die Wahl an. Im wahrsten Sinne. Die Wahl zwischen der Zweiflerin und der Abenteurerin. Wenn ich etwas ändern möchte und mehr Herausforderung leben möchte, muss ich mich fragen “ was brauche ich dafür?“. Fortbildung? Gleichgesinnte? Therapeutische Unterstützung? Was kann mich stärken und mir helfen meine eigenen Hemmschuhe zu identifizieren?
Übung macht den Meister
Wie stärken wir unser Selbstvertrauen? Indem wir immer wieder kleinere Herausforderungen angehen und mit unserem neuen Wissen positive Erfahrungen machen. Wenn wir uns auch anderen zumuten mit unserer „nicht Perfektheit“ und genau damit Neues wagen, können wir wachsen. Mit dem neuen Rüstzeug begegnen Sie nun Herausforderungen und werden mit Sicherheit neue Erfahrungen machen. Wenn ich mich richtig erinnere, wurde Annika von Abenteuer zu Abenteuer mutiger, je öfter sie mit Pippi unterwegs war. Ob Ihnen ganz andere Typen von Menschen begegnen, Menschen die Sie unterstützen oder Ihnen Unterstützung von anderer Seite zukommt mit der Sie nicht gerechnet haben, es wird sich mit ziemlicher Sicherheit etwas verändern. Aus meiner persönlichen Erfahrung war der Jakobsweg in Spanien so ein Ereignis. Wenn sich Hindernisse auftaten bin ich Menschen begegnet, die mir geholfen haben oder ich habe eigene Ressourcen entdeckt, die mir vorher nicht bewusst waren.
Diese positive Erfahrung mit mir und der Umwelt ließ neue Wege entstehen, auch im Gehirn. So kann ich heute ruhig und gelassen bleiben wenn ich mich einmal irgendwo in einer fremden Stadt verlaufen habe. In mir ist mehr Sicherheit entstanden, dass ich schon wieder den richtigen Weg finden werde, oder ihn mir jemand zeigt. Mit den neuen Wegen im Gehirn können alte Muster immer mehr abgelöst werden und das Navi führt uns auf einen neuen Pfad. Mit der Zeit wächst dann auch das Vertrauen in uns und in unseren Lebensweg.
Vielleicht nehmen Sie sich vor in den nächsten zwei Wochen mehr wie Pippi zu sein!
Viel Freude damit.
Herzliche Grüße Ihre Andrea Götte