Depressionen, Ängste, Burnout und Überforderung resultieren oft daraus, dass wir uns zu sehr im Außen verloren haben und den Kontakt zu unserer Mitte nicht mehr finden. Viele Menschen in Heilberufen und im Pädagogischen Bereich, aber auch Mütter und Väter kommen zu mir in die Praxis, weil sie sich erschöpft fühlen und gar nicht mehr wissen was eigentlich ihre eigenen Bedürfnisse sind.
Empathie
Die Empathie für andere ist oft groß und damit auch die Vorstellung was für andere gut sein könnte. Es wird alles Mögliche getan, um die Bedürfnisse der Kinder, Mitmenschen oder Klienten zu erfüllen. Das Ergebnis ist oft, dass wir leer laufen. Denn es geht viel Energie raus, aber zu wenig wieder rein. Empathie ist eine wundervolle Eigenschaft, wenn wir sie auch für uns selber nutzen. Das allerdings haben nur wenige von uns gelernt.
Prägungen und Traumata
Auch unsere Eltern waren oftmals überfordert und durch ihre eigene Vergangenheit und Traumata geprägt. Sich um sich selbst zu kümmern, stand nicht unbedingt an erster Stelle. Die Familie musste versorgt werden und auch das Bild im Außen wurde aufrecht erhalten, dass alles in Ordnung ist. Leistungsdenken und „was denken die anderen?“ hat eine lange Tradition. Kinder, die in einer unsicheren Umgebung aufwachsen, egal ob emotional oder physisch, entwickeln oft die Eigenschaft ihre Umgebung genau zu beobachten. Wie geht es meine Eltern? Sind sie gut drauf oder gestresst? Darüber hinaus halten sich Kinder meist selbst für den Grund der Dissonanzen und versuchen die Eltern zu frieden zu stellen. Sie fühlen sich für den Gemütszustand verantwortlich und verlieren immer mehr den Kontakt zu sich selbst. Auch Kinder, die aufbegehren, stören und so die Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollen, sind mehr im Außen als mit sich verbunden. Traumata können zusätzlich den Boden unter den Füßen wegziehen und das Sicherheitsgefühl weiter schwächen. Eine gesunde Abgrenzung zur Außenwelt zu entwickeln ist schwierig, da sie diese ja ständig beobachten müssen, um ein Gefühl der Kontrolle zu bewahren.
Abgrenzung durch Selbstliebe wieder lernen
In der Praxis richte ich gemeinsam mit dem Patienten oder der Patientin den Fokus erst einmal darauf ein Gefühl von Empathie und Liebe für sich selbst zu entwickeln. Dies für andere zu empfinden fällt den meisten leicht und ist selbstverständlich. Diese Liebe aber sich selbst zu schenken?… Huch… fühlt sich komisch an. Das emotionale Herz ist oftmals weit offen für andere und es wird viel für sie getan, bis zur Erschöpfung. Aber was spüre ich wenn ich das emotionale Herz für mich öffne? Die ersten Erfahrungen sind oft sehr berührend und ein paar Tränen können fließen. Sich selbst vernachlässigt zu haben, bringt nicht selten erst einmal einen Schmerz hervor. Gerne nutze ich hierfür Übungen mit dem „inneren Kind“ und auch Gebete und Meditationen, in denen die Erfahrung gemacht werden kann, selber Liebe und Segen zu empfangen. Haben wir diese Gefühl für uns selbst wieder gefunden, können wir auch der Außenwelt mit einem gesunden Abstand begegnen und spüren, wo wir sind und wo der andere.
Jedem seinen Lebensweg lassen
Ein weiterer wichtiger Punkt in der gesunden Abgrenzung ist meiner Ansicht nach die Haltung, dass jeder und jede den eigenen Lebensweg und die eigene Seelenaufgabe hat. Der Psychiater Adler spricht von den „Lebensaufgaben“. Wer das Buch kennt „Du musst nicht von jedem gemocht werden“ wird sich erinnern. Das Vertrauen zu entwickeln, dass jede Person die Fähigkeit und Kraft hat, ihren eigenen Weg zu gehen, ist eine große innere Veränderung. Es entlastet und gibt den anderen und mich frei. Frei von Erwartungen und Druck in beide Richtungen. Habe ich dies respektiert, kann ich mich meinem eigenen Weg zuwenden und die Kraft für mich nutzen. Wenn ich einen Überschuss an Energie und Liebe habe, dann kann ich den Menschen unterstützen, der meine Hilfe annehmen möchte. Möchte jemand meine Hilfe nicht, habe ich auch das zu respektieren. Mir ist bewusst, dass dies genau gegenläufig ist zu den Prägungen der meisten, auch zu meiner. Jedoch vollzieht sich ein Wandel, der uns liebevoller machen kann und gerade wegen der gesunden Abgrenzung mehr Verbundenheit schafft zu anderen.
Herzlichst
Ihre Andrea Götte